Weiter

M : Oma! Was machst du denn hier auf der Straße?  O : Guten Tag, mein Engelchen! M : Aber wie kommst Du denn hierher, Oma? O : Stell Dir vor, die haben gedacht ich wär tot. M : Und Du bist gar nicht tot? O : I wo denn! Seh ick etwa aus wie tot? M : Nein. O : Na eben drum. Und Du weißt doch, ich will hundertfünf werden. M : Also wurdest Du lebendig begraben? O : Ich weiß nicht, ich bin aufgewacht und war plötzlich auf dem Friedhof. …continue reading →

Weg

Meme kommt ins Zimmer. Oma liegt im Bett, die Augen geschlossen. O : (sehr laut) Trinken! Triiiiinken! Meme eilt zum Bett, stellt die Lehne vom Pflegebett hoch.  O : (noch lauter) Triiiiiiinken! M : Ja. Kommt ja gleich. O : (laut jaulend) Triiiiiiiiiiinken! M : Oma. Ich bin’s. Ich fülle es grad ein. Einen Moment Geduld. O : (laut) Durst! Ich habe solchen Duuuurst! Meme schüttet einen Schluck aus der Schnabeltasse in Omas Mund. Oma schluckt. O : (Befehlston) Mehr! Meme schüttet noch einen Schluck. Oma schluckt. O : (leiser) Nicht mehr. M…continue reading →

Heizkissen

O : Hilfe! … Hilfe! … Hiiilfe! …  M : (Eilt ins Zimmer) Oma! O : Hiiiilfe! …  M : (Berührt ihre Hand, beugt sich über sie) Oma. Hier ist Meme. O : (Hustet) Trinken! M : OK. (Sucht nach Schnabeltasse.) O : (Lauter) Trinken! M : Hier. Hier ist was zu trinken. (Gießt einen kleinen Schluck in Omas Mund.) O : Hngh. M : Mehr? (Wartet) Mehr? O : (Kaum merkliches Nicken. Nach zwei weiteren Schlucken schwach) Mehr nicht. M : OK. O : (Leise) Meme. M : Ja. Ich bin da.…continue reading →

Husten

M : Kannst Du selber essen oder soll ich Dich füttern? O : Füttern. Bitte. Meme schiebt Oma eine Gabel mit Kuchen in den Mund. O : (mit vollem Mund) Mal watt zu essen. M : Bist Du schon ganz verhungert?  O : Ach ick weeß nich … ick kann mich ja … ooch wieder auskotzen … aber jetzt is allet jut. M : (Reicht ihr eine Kotztüte) Da kannst Du reinspucken. O : Ach Meme … Deine Zeit … M : Oma, mach Dir keine Gedanken. Ich komm gerne und will auch…continue reading →

Schwächen

O : Und wie geht’s E? Geht’s dem schlecht? Ja? M : Der wird auch alt, Oma. Das ist eben so der Gang der Dinge. O : Ja … und wunderlich, ja? M : Nee. Einfach schwach. O : (Leise, verblüfft, hoch) Schwach! (Ungläubig, lauter, tiefer) Unser E schwach? Der versteckt doch immer alles. Nicht? M : Na, ich weiß nicht. Ich glaub, verstecken tust Du das. Du machst das. O : Jetzt, ja? M : Nee, jetzt nicht mehr. Aber das hast Du lange Jahre erfolgreich gemacht. O : Watt hab ick?…continue reading →

Maschau

O : Sach ma, Meme. Weißt Du wie alt ich bin? M : Grad mal neunzig. O : Grad mal neunzig. Das ist nicht alt, nee? M : Du bist noch eine junge Greisin. O : Ne junge Greisin … und verliert schon den Verstand? M : Eigentlich nicht. Nur das Kurzzeitgedächtnis. Man muss immer Sachen fünfmal erzählen. Aber wenn man es Dir ein paar mal erzählt, dann hast Du es irgendwann. O : Dann hab ich das für alle Zeiten? M : Für alle Zeiten wohl nicht. Die neuen Sachen wollen nicht…continue reading →

Gemüsegrab

O : Du, ich muss jetzt immer so viel Grübeln. M : Worüber grübelst Du denn? O : Von Tod und Beerdigung und solche Sachen. M : Und was grübelst Du da? Ist doch alles geritzt. O : (verblüfft) Alles geritzt? M : Na, es ist doch alles schon geplant. O : Ach ja? M : Ja. Es wird eine Urnenbestattung. Du kommst zu Mama auf die Grabstelle. Bei der Beisetzung werfen die Leute Blütenblätter statt Sand ins Loch. Und als Musik läuft Beethoven. O : Ja, die Pastorale! M : Und das…continue reading →

Sparen

O : Hab ich nen Brief gekriegt? M : Stromrechnung, Endabrechnung. O : Und? M : Du kriegst achtundzwanzig Cent zurück. O : Cent? Pfennige, ja? M : Ja, kriegst Du zurück. Und die werden Dir auch überwiesen. Achtundzwanzig Cent. O : (Kichert.) M : Das heißt Du hast einen sehr konstanten Stromverbrauch. O : Hab nicht viel verbraucht, ne. M : Nee, nicht viel, und vor allem konstant. O : Na, was hab ich denn? Kühlschrank, Herd, was noch? Heizung. Ist nicht viel, was ich verbrauche. M : Nee. O : Dabei…continue reading →

Sterbepillen

O : Altwerden ist nichts. Und so schnell werde ich ja gar nicht sterben … M : Ja, das glaube ich auch. O : Wenn man Sterbepillen vergeben würde, das wäre doch viel einfacher. Aus welchem Grund muss ich nun vielleicht bis hundert warten, bis ich die Augen zu mache? Es kann ja gar nicht mehr besser werden, es kann nur schlechter werden. Allerdings staune ich immer, dass ich gar keine Beschwerden habe, so wie andere, mit dem Magen und mit dem Darm und was nicht alles. M : Das mit den Beinen…continue reading →

Telefonseelsorge

O : Du, Meme, mir geht’s gar nicht gut. M : Was ist denn los? O : Ich weiß auch nicht. Ich fühl mich nicht. M : Hast Du Schmerzen? O : Nein, ich fühl mich nur so schwach. Ich komm kaum hoch. M : Ich komm morgen vorbei. Soll ich was mitbringen? O : Wenn Du kommst, dann können wir ja … schauen, ob mir was fehlt … M : Morgen ist Sonntag. Da kann ich nicht einkaufen gehen. Aber gibt’s was konkretes, was Du brauchst, etwas, das ich aus meinem Haushalt…continue reading →

Wohlstand

O : Kiek ma, wenn ick hier so stehe und den Wohlstand sehe. (Beschaut sich den Einkauf.) Mein Gott ist das schön. Kamillentee hab ich. Alle Sorten Tee. M : Omchen, lässt Du mich mal durch? Ich muss da unten mal ne Zwiebel rauskramen. O : Sind die noch fest? M : Ja. Mal kucken. Eine wird schon noch dabei sein. O : Ach sieht das schön aus. Mann. Man darf hier gar keinen reinlassen. Wenn die den Wohlstand bei mir sehen. M : Den Apfelsinenwohlstand? O : Ja. M : Noch haben…continue reading →

Test

M : Oma, wir machen heute einen Demenztest mit Dir. O : Wozu? M : Das ist für den Heimantrag. Wir geben Dich jetzt auf keinen Fall in ein Heim, das ist zu gefährlich für alte Leute, wegen dem Virus. Aber falls mir etwas passiert, hätte ich lieber alles fertig in der Schublade. O : Das ist vernünftig. Ich will aber noch nicht in ein Heim. M : Ich weiß. Jetzt sowieso nicht. Wenn da einmal der Virus drin ist, in einem Heim, dann sterben gleich die Hälfte der Leutchen. Aber ich hätt’s…continue reading →

Einstellung

O : Ach ja. Alles Gute ist nie beisammen. M : Doch. Manchmal, zeitweilig. Vorübergehend. O : Es ist auch eine Frage der Einstellung. Wenn man nur das Schlechte sieht, sieht man das Gute nicht.continue reading →